Eine Kurzgeschichte um die Bouillabaisse

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Eine Kurzgeschichte um die Bouillabaisse

Beitragvon koch » Do 16. Jun 2016, 21:44

Eine Kurzgeschichte um die Bouillabaisse

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Bouillabaisse. In einem 1785 erschienenen Woerterbuch der Provence
wird die Zauberformel aufgeloest. Dort heisst es: "Ausdruck der
Fischersprache, eine Art Ragout, das hergestellt wird, indem man
Fische in Meerwasser kocht. Man sagt "bouille-baisso", weil der Topf,
sobald er kocht (bout), vom Feuer weggenommen (abaisse) wird."

Und damit ist schon der Deckel des Geheimnisses dieses Suppentopfes
ein wenig gelueftet. Man verraet uns, dass eine Bouillabaisse, wenn
sie kocht, vom Herd genommen werden muss. Denn bouillebaisso, das ist
es, was den kostbaren Sud der Fische mit dem nicht weniger kostbaren
Olivenoel vereint.

Marseille, das wird von niemandem bestritten, gilt als Geburtsort der
echten Bouillabaisse. Das Nationalgericht der Provence wurde von den
ansaessigen Fischern erfunden und war urspruenglich ein
Armeleute-Essen, denn es bestand aus den unverkaeuflichen
Fischresten, die nach dem taeglichen Markt zusammengekehrt wurden. In
den vielen Jahrhunderten, seit es dieses Fischgericht gibt, hat es
sich verstaendlicherweise oft gewandelt; heute gibt es fast so viele
Varianten wie Koeche, und jeder reklamiert fuer sich, er kenne das
einzig wahre Rezept, das natuerlich sein Geheimnis bleibt.

Was also eine Bouillabaisse zu einer "echten" Bouillabaisse macht,
ist eine offene Frage. Ziemlich einig ist man sich ueber die drei
wichtigsten Meeresfische, die in den Volkseintopf gehoeren: Rote und
braune Rascasses (Drachenkoepfe) mit beeindruckend stacheligen
Panzern, St-Pierre (Petersfisch) und Grondin (Knurrhahn). Einig ist
man sich auch darueber, dass es festfleischige Fische von den
Felsklippen sein muessen. Bei Congre (Meeraal), Baudroie (Seeteufel)
und Loup de mer (Wolfsbarsch) gehen die Meinungen auseinander. Bei
Muscheln, Krabben und Langusten gibt es gar Streit - der Kenner
verzichtet darauf, weil Schalentiere in der Bouillabaisse ihren
Eigengeschmack zum grossen Teil verlieren.

Als unverzichtbare Zutaten gelten hingegen wieder allerlei kleines
Meeresgetier und Olivenoel, Knoblauch, Zwiebeln, Tomaten, Fenchel,
Safran sowie eine reiche Skala provenzalischer Kraeuter und Gewuerze.
Eine kraeftige Portion Weisswein und womoeglich ein Schuss Pastis
runden den Geschmack ab. In unseren Breitengraden und in vielen
Gourmet-Tempeln rund um den Erdball wird das Meerwasser fuer den Sud
gaenzlich durch Wein ersetzt.

Den Gipfel der traditionellen Marseiller Kochkunst erreicht man
jedoch mit der hoellisch scharfen Rouille, einer goldroten Mischung
aus Mayonnaise, Knoblauch und Paprika. Sie wird auf Croutons,
geroestete Brotstuecke, gestrichen, die man in der Suppe schwimmen
laesst (und die das Brennen etwas lindern sollen).


Wie man Ihnen nun die Bouillabaisse servieren wird, ob Suppe und Fisch
nacheinander oder zusammen, ob mit oder ohne bunte Laetzchen, die man
den Gaesten um den Hals bindet, auf jeden Fall geschieht alles mit
feierlichem Charme. Die Gaeste sollen schliesslich merken, dass man
ihnen kein Armeleute-Essen auftischt, sondern ein Festmahl
zelebriert, und es ist ja auch entsprechend teuer. Probieren koennen
Sie die Bouillabaisse fast ueberall in der Provence und an der Cote
d'Azur, aber beurteilen koennen Sie das Fischgericht erst, wenn Sie
es in Marseille kennengelernt und beim Preis nicht geknausert haben.

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